Afrika ist nicht gleich Afrika

 

11.923 Kilometer, 4 Länder, das war die Reise, die wir im April für einen Monat als Zwischenseminar machten. Was wir alles gesehen und erlebt haben auf dieser Reise, damit könnte man eigentlich Seiten füllen und selbst dann wäre wohl noch nicht alles gesagt und ausgedrückt, was wir auf dieser Reise gefühlt und bestaunt haben.

 

Es gab einen Satz, den ich immer wieder im Kopf hatte, wenn wir wieder an einem neuen Ort waren, an dem es ganz anders zuging, als ich erwartet hatte: „Afrika ist nicht gleich Afrika“.

 

Warum? Weil ich trotz der Dinge, die ich über die Länder gehört hatte, nicht darauf vorbereitet war, dass man innerhalb einer Ecke eines Kontinents und innerhalb von so kurzer Zeit in so vielen unterschiedlichen Welten landen kann. Weil über diesen Kontinent in Europa und auch hier so oft zusammenfassend geredet wird, als könnte man all die Länder in einen Topf stecken oder als gäbe es das eine, „wahre“ Afrika.

 

Aber schaut selbst ein bisschen, vielleicht könnt ihr nach den Einblicken, die ich hier mal versuche zu schaffen und auf den Bildern, die ich aussuche, sehen, was ich meine.

 

 

 

 

 

Erste Etappe: Tansania → Sambia

 

 

 

Am 6. April startete unsere Reise in Daressalam, der chaotischen größten Stadt Tansanias, in der sie ziemlich genau einen Monat später wieder enden sollte.

 

Ein Monat voller Erlebnisse wartete auf uns, voller verschiedener Orte und dem damit verbundenen Spaß, aber auch voller langer ermüdender Zug- und Busfahrten und Rucksack ein- und wieder auspacken. Würde das nicht ein bisschen anstrengend werden?

 

Nun, es ging schon gleich damit los, dass unsere Schlafwagen Reservierungen für den Zug nach Sambia aufgehoben worden waren. Na ja, wir waren ja alle noch munter und voller Erwartungen an die Reise und eine erste Nacht, die halb auf den Bänken im Speisewagen und später dann in einem vollgestopften Abteil mit lauter Musik (Tansanier können glaube ich bei jeder Lautstärke schlafen) zugebracht wurde, hat niemandem so richtig geschadet. Und danach wurde die Fahrt dann richtig entspannt. Aus dem Fenster die wunderschöne Landschaft Südtansanias vorbeiziehen sehen, lesen, schlafen, Leute aus allen möglichen Teilen der Welt kennen lernen. Fahrtluft im Gesicht, unterwegs sein.. Und sich ab der zweiten Nacht in einem komfortablen, eigenen Abteil in den Schlaf ruckeln lassen.

 

Wie im Flug waren wir in Sambia, wo uns der erste Kulturwechsel erwartete. Sambia hatte ich mir eigentlich ziemlich genau wie Tansania vorgestellt und umso seltsamer war es, dass es einerseits ähnlich und andererseits vollkommen anders war, dabei waren wir nur wenige Kilometer hinter der Grenze.

 

Trotzdem wirkte der Wechsel der Landesgrenzen wie ein plötzlicher Wechsel der Umgebung. Die Häuser westlicher, der Straßenverkehr geordneter. Nichts mehr mit Motoradtaxis, die sich überall zwischen den Autos hindurchschlängeln, hupenden Autoschlangen. Und an der ersten Absteige direkt „Subway“ und ein anderer Fastfoodladen, in Tansania eher selten bis nie gesehene Essensbuden.

 

Der erste Tagesausflug ging dann auch direkt in ein großes Einkaufszentrum. Willkommen zurück in Europa! Laden an Laden, Supermärkte mit vollen Regalen, Preise wie in Deutschland. Es ist seltsam und fast ein bisschen peinlich, wie sehr man sich doch darüber freuen kann, wieder wie wild zuzugreifen und wie aufgescheuchte Hühner durch den Supermarkt zu rennen.

 

Brötchen, Getränke, Joghurt. Und den Schockokuchen nehmen wir auch noch mit...

 

Ich hatte das Gefühl, mal kurz zu Myzeil, dem Einkaufszentrum in Frankfurt rübergeflogen zu sein.

 

Um die Ecke des Einkaufszentrums war dann allerdings der Markt, der genauso war wie die Märkte hier in Tansania. Tische beladen mit Gemüse und Obst, Klamottenstände mit secondhand Kleidung.

 

Es wirkte absurd, welch gegensätzliche Lebensstile hier direkt nebeneinander gelebt wurden.

 

Auf unserer Zugfahrt in Richtung Livingstone, der Ort in Samibia, an dem die Victoriafalls sind, kamen wir dann auch an Dörfern vorbei, die ähnlich sind wie die Tansanias.

 

Das Land scheint viele Gegensätze zu vereinen, von denen wir natürlich eher die westliche, touristische Seite mitbekamen. In Livingstone zelteten wir am Zambezi River und saßen Abends im Lodgerestaurant mit einer Pizza am wunderschönen Fluss und besuchten tagsüber die hübsche geordnete kleine Stadt und die sehr beeindruckenden Victoriafalls.

 

Es waren friedliche Tage, in denen ich die Landschaft und unsere Unterkunft sehr lieb gewonnen habe.

 

Und dann ging es auch schon weiter nach Namibia...

 

 

zweite Etappe: Sambia → Namibia

 

 

Nach einer abenteuerlichen Busfahrt, während der der Motor unseres Busses viermal, teilweise mitten im namibianischen Nichts, den Geist aufgab, erreichten wir Windhoek, die Hauptstadt Namibias. Wie die meisten von euch wahrscheinlich wissen, war Namibia von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie.

Das als Deutsch-Südwestafrika bezeichnete Gebiet war die einzige deutsche Kolonie, in der sich dauerhaft deutsche Siedler niederließen. Das Vorgehen der deutschen Verwaltung in Deutsch-Südafrika ist ein Beispiel für die Grausamkeit und skrupellose Machtaneignung der Kolonialherren.

Aufgrund der Verdrängung aus ihren Gebieten und der wirtschaftlichen Benachteiligung, kam es zu Aufständen des afrikanischen Stammes der Herero.

Dieser wurde durch die deutschen Truppen nicht nur bekämpft, vielmehr führten sie ein Vernichtungsmassaker gegen den Stamm der Herero und später auch den der Nama, der heute als Völkermord bezeichnet wird und bei dem ein Großteil der Herero-Bevölkerung umkam.

In Namibia wirkt das gemeinsame Kapitel von namibianischer und deutscher Geschichte für den Besucher immer noch sehr präsent.

Denn nach der Unabhängigkeit ging ungefähr die Hälfte der Siedler zurück, viele blieben aber auch, und so sind einige Nachfahren der Deutschen von damals immer noch dort.

Das merkte man in Windhoek sofort. Deutsche Straßennamen und Lokale, auf der Straße viele Namibianer, die Deutsch sprechen, im Herzen der Stadt eine Kneipe, in der überall Würste von der Decke baumelten und Jägermeisterflaschen herumstanden.

Der richtige Schock erwartete uns allerdings erst in Swakopmund, an der Küste Namibias. Von Windhoek aus fährt man dorthin mit dem Bus, wobei die Landschaft immer mehr zur Wüste wird. Aus dieser Wüste taucht dann plötzlich, nach stundenlangem unbesiedelten Gebiet, die Stadt auf. Nachmittags kamen wir an und von der See war ein Nebel über die ganze Stadt aufgezogen. Wie im Traum tauchten daraus Häuser und Straßen auf und wie ein seltsamer Traum oder ein unechtes Gebilde, aus dem Nichts heraus erschaffen, kam einem auch diese Stadt und die Tage darin vor. Wenn es in Samibias Einkufszentrum noch hieß: „Willkommen im Westen, in Europa“, dann war das hier: „Willkommen in Deutschland“. Obwohl Marcus, unser Mentor, mit dem wir unterwegs waren, schon vorher erzählt hatte, dass uns in Namibia ein Stück Deutschland erwartete, hatte ich es mir einfach nicht so vorstellen können, wie es dann letztendlich war.

Swakopmund, das war wie ein Ort an der Nord- oder Ostsee, mit dem einzigen Unterschied vielleicht, dass das Meer blauer und stürmischer war und die Wüste direkt nebenan lag. Aber das konnte man gut ausblenden, in der Stadtmitte war man in Deutschland. Es fing an bei den deutschen Produkten in den Supermärkten und reichte über die aufgeräumten und schicken Straßen voller Läden wie den deutschen Buchläden und der „alten Brauereistube“ bis hin zu den Menschen, die an allen Ecken Deutsch sprachen. Von der Oma mit dem Rollator bis hin zu dem jungen Mann, der uns in einem mit Rollrasen ausgelegten Garten Café einschenkte.

In Namibia, davon hat man einen kleinen Eindruck, gibt es ziemliche Parallelgesellschaften. Neben einigen Stadtzentren, in denen die überwiegend weiße, deutschsprachige Bevölkerung lebt und ihre eigenen Schulen, Restaurants und Einkaufsstraßen hat, drängeln sich Townships. Und im Norden des Landes gibt es vermutlich wieder Dörfer, die den tansanischen nicht unähnlich sind. Auch wenn wir dort nicht waren, es war einem doch auch bewusst, dass nicht weit entfernt wieder Menschen ganz anders lebten. Und das sollte in Südafrika noch stärker so werden...

 

dritte Etappe: Namibia → Südafrika

 

 

 

 

 

30 Stunden Bus, von Swakopmund bis direkt nach Kapstadt. Jeder Meter hat sich gelohnt, die Woche, die wir in Kapstadt verbrachten, war voller netter neuer Menschen und sonniger ereignisreicher Tage. In dieser Stadt kann man glaube ich alles finden, allen Interessen nachgehen und alle möglichen verschiedenen Leute treffen. Von Natur (Tafelbergwanderungen und direkt vor der Nase das Meer) über Kultur (super viele interessante Museen) zum Stadtleben mit seinem Nachtleben und seiner Bandbreite an Unterhaltung und Menschen.

 

Die Zeit, die wir in Südafrika hatten, war unglaublich positiv, und das gilt wohl für unsere gesamte Reise. In so kurzer Zeit konnten wir so viele Länder sehen und hatten genau deshalb natürlich immer nur einen kleinen Einblick in einzelne Orte, sind an vielen Stationen nur vorbeigehuscht, an denen man auch hätte Wochen verbringen können.

 

Problematiken und soziale Unterschiede in den Ländern bekamen wir nur durch einzelne Situationen mit, die zum kritischen Nachdenken anregten und trotzdem nicht genug sind, um ein Urteil fällen zu können.

 

Trotzdem habe ich das Gefühl, durch diese Reise verinnerlicht zu haben, worüber ich vorher schon viel nachgedacht und gelesen habe. Dass Afrika so viele Gegensätze vereint, wie man sich gar nicht vorstellen kann und es doch alles zu dem Kontinent gehört.

 

Natürlich, es ist absurd, überhaupt von „Afrika“ vereinend zu sprechen. Afrika, das sind 55 verschiedene Länder, in denen nochmal jeweils unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen leben, Sprachen gesprochen und Traditionen und Lebensstile gelebt werden.

 

Aber genau das wird doch so oft gemacht, 'in Afrika sei es so und so, Kapstadt, das sei nicht das richtige Afrika', man hört es in Europa genau wie hier. Aber was ist das richtige Afrika?

 

Vielleicht meinen manche damit die Kultur und die Lebensart, die an einigen Orten dadurch verloren geht, dass sie immer westlicher werden.

 

Das kann ich nachvollziehen und auch die Frage, warum teilweise danach gestrebt wird.

 

Aber auf der Reise ist mir zumindest nochmal bewusst geworden, wie schwierig es ist, einen Kontinent und die Länder darin zu fassen. Dass man immer wieder überrascht wird und das, was man vielleicht über ein Land und seine Kultur dachte, wieder über den Haufen geworfen wird.

 

Afrika ist nicht gleich Afrika, weil man kein Urteil darüber fällen kann und weil man nichts darüber weiß. Weil das, was man vielleicht dafür hält, nicht existiert.

 

Mir ist nochmal bewusst geworden, dass man manchmal nur einen Kilometer fahren muss, um in eine komplett andere Welt zu gelangen und es so unglaublich schwierig ist, zu begreifen, was man da sieht. Wie vorsichtig man urteilen muss, wenn man irgendwo vielleicht nur wenige Tage oder Wochen war, oder es sogar nur aus der Ferne kennt.

 

Afrika ist nicht gleich Afrika, genau wie Europa nicht gleich Europa ist.